Sie fahren Astra, hassen den „Neger“ aus dem Nachbardorf und sind der größte Opel-Klub in Ostsachsen. Unterwegs mit den Jungs von der „Schlesischen Opelfront“, denen die Welt ein paar Nummern zu groß ist.
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Sie trinken deutsches Bier und fahren deutsche Autos (Fotos: Eric Vazzoler)

René (Namen von der Redaktion geändert) steht in seiner Autowerkstatt mitten im Wald, zwanzig Kilometer von Görlitz entfernt. Er hat eine Freundin und eine Tochter, die nicht bei ihm leben. Einen Kampfhund, den er gekauft hat, weil seine Freundin das erste Kind verloren hat. Und einen blauen Opel Astra mit 155.000 Kilometern, Rennsportfahrwerk, Mattig-Frontspoilerlippe, Vierpunktgurten und einem Aufkleber auf der Frontscheibe. „Schlesische Opelfront“ steht da - in weißen, altdeutschen Buchstaben. Der Name seines Opel-Clubs, der auf der Prioritätenliste seines Lebens zwischen seiner Familie und Spike rangiert, dem Staffordshire-Terrier.

René ist 30 Jahre alt. Er hat eine Glatze, einen abgebrochenen Zahn und ein schiefes Auge. Ein Glassplitter hat ihm das Augenlid abgetrennt, als er mit seinem alten Opel Kadett gegen eine Linde gefahren ist, weil ein Hirsch die Straße vor dem Kadett überqueren wollte.

Chef der „Schlesischen Opelfront“: René

Seit einem Jahr betreibt René die Autowerkstatt in der alten Scheune zwischen Birken und Eichen und vier sauberen Häusern mit Spitzengardinen und Geranien auf den Fensterbrettern. Er hat ein Schweißgerät aus den sechziger Jahren, einen benzinbetriebenen Heizlüfter aus den Siebzigern und eine Schachtel voller Stempel, mit denen er eine gefälschte Seriennummer auf den selbst geschweißten Doppelrohrauspuff seines Astra gestanzt hat.

Spike schafft vier Flaschen Hasseröder
Im Nebenraum der Werkstatt hat er sich eine Art Wohnzimmer eingerichtet. Eine gelbe „Wir sind Opel“-Fahne hängt über einem der grünen Sofas, auf einem Tischchen liegt eine alte „Bild“-Ausgabe. Hier feiern René und seine Kumpels Partys, weil es sonst weit und breit nichts gibt, wo sie feiern könnten. Und weil sie sich hier oft betrinken, mischt René seinem Terrier Spike manchmal Bier oder Tequila-Reste ins Futter, damit er den Alkoholdunst gewohnt ist. Der Hund schafft vier Flaschen Hasseröder nacheinander.

Für seinen blauen Astra Baujahr 1993 hat René 1300 Euro bezahlt. So wie der Astra heute dasteht, mit der Soundanlage, den Spoilern und den 17-Zoll-Reifen ist er mindestens 5900 wert, glaubt René. Als er vor fünf Jahren seinen Opel-Club gegründet hat, hatten sie sich überlegt, wie sie ihn nennen sollen. Opel-Team Sachsen klang zu affig. Sachsenfront auch irgendwie öde. Also nannten sie ihren Klub „Schlesische Opelfront“. Schlesisch, wegen des Heimatbezugs, Opel wegen der Autos und Front, weil sie „immer vorne mit dabei“ sind. René lacht grölend. Sein rasierter Nacken legt sich in dicke Falten.

Die Frau heulte, der Mann röchelte Blutblasen

Markus und René schrauben die Spurverbreiterungsscheiben von Renés Astra

In der Kleinstadt gibt es keine Jobs und keine Abwechslung außer vielleicht den „Tanz zur Kaffeezeit“ oder das jährliche Stadtfest. Dafür trafen sich kürzlich die Jungen Nationaldemokraten zum Sachsentag am Quitzdorfer See ganz in der Nähe, an dem sich die NPD im vergangenen Jahr zum Wahlkampfauftakt versammelte.

René trinkt Kaffee mit Milchpulver aus einem Plastikbecher. Früher, da war er auch radikal, erzählt er. Heute hat er sich besser im Griff. Besser zumindest als damals, als er dem Typen im Wald „den Kiefer zu Brei“ geschlagen hat, weil es so aussah, als würde der eine Frau vergewaltigen. Die Frau heulte, der Mann röchelte Blutblasen aus Mund und Nase. „War ein Pärchen“, sagt René. „Pech.“

Damals war er 14. Hatte am einen Springerstiefel rote und am anderen weiße Schnürsenkel eingefädelt, weil irgendein „Kanake“ seinem Freund ein Messer in den Oberschenkel gerammt hatte. Der Freund sei verblutet. Damals hat er sich für dessen Tod an allem gerächt, was nicht deutsch genug war, um in einem der Dörfer rund um Görlitz zu leben. Da hat er die Fahrbahn überquert, um Türken oder Russen „die Fresse zu polieren“, die auf der anderen Straßenseite liefen. „Die hab ich richtig zerlegt“.

Fütterungszeit: Spike soll mithalten könne, wenn René und seine Kumpels Bier trinken

Heute sei er ruhiger, sagt René. Heute hat er seine Werkstatt und seinen Opel-Klub und zählt sich nicht mehr zu den Schlägern aus seiner Kleinstadt - weil er sie lasch findet und albern. „Die kaufen Kippen in Polen, fahren zum ficken nach Tschechien, und essen Döner beim Türken“, sagt er. René repariert das Auto des Türken vom Dönerladen und den Bus des türkischen Gemüselieferanten. René nennt ihn „Gurkenfresser“. Wenn René die Dönerbude betritt, sprechen sie Deutsch. Das hat er ihnen beigebracht. „Solange die hier arbeiten und alles korrekt abrechnen, sollen sie bleiben.“ René erzählt, er kenne nur fünf „richtige Skins“. Solche, die in einem Restaurant niemals etwas anderes als ein deutsches Gericht bestellen würden und die genau erklären können, warum die Geschichte um den Holocaust gelogen ist. Die bewundert er.

Der größte Opel-Klub in Ostsachsen
Einer seiner Kumpels hat eine schwarze Freundin. Weil die Afrikanerinnen eben gehorsamer seien, als die emanzipierten, deutschen Frauen. Die schwarze Freundin stört René nicht. Dafür kann er den „Neger“ nicht leiden, der im Nachbardorf lebt. „Das ärgert mich immer, wenn ich mit meiner Tochter durch das Dorf laufe und die den Neger anschauen muss.“ Die Tochter ist drei. Wenn der Papa fragt, welches Auto das Beste ist, dann sagt sie: „Opel“.

Große Liebe: René und seine Freundin Silke in Renés Opel Astra

Kurz darauf kommen sie auf den Hof gerollt: Ein Astra, 1,6 Liter, ein Vectra 16 V, tiefer gelegt, mit Kindersitz und Sonnenschutz an den Rückfenstern, ein Corsa mit einem Kasten Pils auf dem Rücksitz, noch ein Vectra, noch ein Corsa, das B-Modell. „Wir sind der größte Opel-Klub in Ostsachsen“, sagt René.

Normalerweise gehören 17 Opel zur „Schlesischen Opelfront“. An diesem Freitag versammeln sich sieben Fahrer, um zu einem Opel-Treffen nordwestlich von Zittau zu fahren. Da ist Silvio, der aus W. weggezogen ist, weil er Kinder hat und dort so viele Russen leben. Oder Marcel, der vor ein paar Jahren seine Kumpels in einem Opel Astra Caravan zu einem ausländischen Bistro gefahren hat. Die Kumpels haben das Bistro angezündet und Hakenkreuze an die Wand gesprüht. Oder Markus. Der hatte mal eine Katze. Als ein Ford Escort sie vor seinen Augen überfuhr, hat er seinen Corsa geholt und den Täter verfolgt. Eingeholt hat er ihn nicht, weil sein Corsa langsamer war als der Ford. Jetzt besitzt er einen Mercedes 230 E, den er gegen zwei Schalensitze, einen Wohnwagen und 450 Euro getauscht hat. Dann gibt es noch Silke, Renés Freundin, die den Astra mit dem Sportfahrwerk bis zum Opel-Treffen fahren wird, weil René keinen Führerschein mehr hat.

„An meinen Astra trauen sich nicht einmal die Polen“

Getunte Opel auf dem Tuning-Treffen bei Zittau


Ein Eisernes Kreuz auf dem Bassverstärker: Ein Auto auf dem Opel-Treffen bei Zittau

Keiner hat hier viel Geld, keiner von Renés Kunden, keiner von seinen Klub-Mitgliedern. Deshalb macht er in seiner Werkstatt eine Komplettlackierung für 300 Euro am Finanzamt vorbei, und deshalb fahren die Mitglieder des größten Opel-Klubs in Ost-Sachsen nur dürftig getunte Autos: mit Angel-Eye-Rückleuchten oder Spurverbreiterungsscheiben, mehr ist da nicht. Das richtige Tuning, das kommt noch, sagen sie alle. Irgendwann, wenn René es macht und wenn sie ein bisschen mehr Geld haben als gar keins.

René klebt neue „Schlesische Opelfront“- Aufkleber auf die Opelscheiben. Seitdem sie alle die Aufkleber haben, traut sich keiner mehr an die Autos. „Nicht einmal die Polen“, sagt René. „Die wissen schon, was passiert, wenn sie meinen Astra anfassen.“

Auf dem Bassverstärker prangt ein Eisernes Kreuz
Mit heulenden Motoren fahren sie los zum Opel-Treffen, über den Schotterweg von der Werkstatt zur Hauptstraße. Silke wartet an der Ecke neben der Bushaltestelle im Nirgendwo auf den Rest der Kolonne. Rap dröhnt aus den Fenstern, Bushido, Lady Gaga, irgendein stampfender Elektro-Mix. Das Nummernschild des Astra scheppert im Takt.

Sie halten dröhnend bei Netto, um zwei Kästen Hasseröder Pils einzukaufen. Dann noch zweimal, um zu pinkeln, weil sie auf der Fünfzig-Kilometerfahrt Richtung Zittau schon den ersten Kasten Pils zur Hälfte geleert haben. Mehr als eine Stunde lang fahren sie durch Dörfer, in denen Schafe zwischen verrosteten Ackergeräten und grauen Häusern weiden. Einer der Fahrer fährt nonstop Schlangenlinien. Ein anderer brüllt aus dem Auto. Eine Herde Kühe galoppiert entsetzt davon.

Kurz vor dem Opel-Treffen steigt René aus dem Wagen. Seine Freundin rutscht auf den Beifahrersitz. „Muss sein“, sagt René, als er auf die vom Regen matschige Wiese fährt. Der Frontspoiler drückt die Grashalme platt. René parkt rückwärts neben ein paar Opel mit Flammenoptik auf den Motorhauben.

René und seine „Schlesische Opelfront“ haben Klappstühle mit orange-braunem Blumenmuster ausgepackt. Ein paar Bekannte schlendern herüber. Blanke Köpfe, festes Schuhwerk. Auf der anderen Seite der Wiese steht ein Opel mit einem Bassverstärker im Kofferraum. Auf dem Bassverstärker prangt ein blank poliertes Eisernes Kreuz.

René trinkt das achte Bier an diesem Abend. Hinter ein paar Bäumen spielt eine Musikanlage Michael Jackson für eine leere Tanzfläche. René und die „Schlesische Opelfront“ sitzen um ihre Autos. Sie werden da sitzen, bis es Sonntag ist und sie wieder nach Hause fahren in ihr Nest, 20 Kilometer von Görlitz entfernt.
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